Ergebnisbericht der Zustandserfassung der Anatomischen Sammlung der Hochschule für Bildende Künste Dresden

// Dipl. Rest. Jakob Fuchs

Die Zustands- und Bestandserfassung der Anatomischen Sammlung war Schwerpunkt der ersten Förderphase des BMBF-Projektes „Körper und Malerei. Erschließung, Erforschung und Nutzung der Anatomischen Sammlung und der Gemäldesammlung der Hochschule für Bildende Künste Dresden“ und fand vom 01.02.2017 bis 31.01.2018 im Anatomiesammlungsraum in der Kustodie der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) Dresden statt.

Die Anatomische Sammlung der HfBK Dresden befindet sich in einem zweiteiligen Raum, der an das Archiv angegliedert und zusätzlich vom Georg-Treu-Platz begehbar ist. Die Räumlichkeiten sind alarmgesichert. Das Klima (relative Luftfeuchte und Temperatur) werden überwacht und durchgehend reguliert; Richtwerte sind hier 50% rF und 20°C. Jahreszeitliche Temperaturschwankungen des Außenklimas übertragen sich nur äußerst gemäßigt auf das Innenklima, somit können abrupte Temperaturabfälle bzw. -anstiege ausgeschlossen werden. Die Objekte erfahren diesbezüglich einen nahezu optimalen präventiven Schutz.

Problematisch hingegen ist die Raumsituation bezüglich eines fehlenden Staubschutzes. Da es sich um ein unverputztes Ziegelsteingemäuer mit Gewölbedecke handelt, sind alle nicht in Vitrinen oder Schränken aufbewahrten Objekte einer zum Teil enormen Staub- und Schmutzbelastung ausgesetzt; dies betrifft bedauerlicherweise über die Hälfte der Objekte. Aus dieser Problematik resultierend ist die Verputzung der Räumlichkeiten, um auch freistehende Objekte dauerhaft vor Staub- und Schmutz schützen zu können, Teil des Maßnahmenplanes 2018.

Anatomie Unterschenkel (untere Muskeln), Inv.-Nr.: AW142M

Anatomie Unterschenkel (untere Muskeln), Inv.-Nr.: AW142M; Röntgenaufnahme: Kerstin Riße

Die Röntgenaufnahme trägt maßgeblich dazu bei, die Verankerung des Wachsobjektes im Holzsockel zu klären. Dies ist ausschlaggebend für die Beurteilung der konstruktiven Stabilität.

Écorché nach André-Pierre Pinson, Inv.-Nr.:Écorché nach André-Pierre Pinson, Inv.-Nr.: AG135M_4

Écorché nach André-Pierre Pinson, Inv.-Nr.: AG135M_4, Foto: Jakob Fuchs

Unter UV-Strahlung wird sichtbar, dass das Gipsmodell weiß gefasst wurde. Bei den sich als dunkellila partiell abzeichnenden, vermeintlichen Flecken handelt es sich um den Gipskörper unter einer Fassungsfehlstelle (Pfeil).
Die hellgelb fluoreszierenden Bereiche, z.B. um die Augen herum, sind vermutlich Rückstände eines Abformmateriales oder Überzuges.

Von Februar 2017 bis Januar 2018 erfolgte die Zustandserfassung von insgesamt 468 Objekten der Sammlung – begleitend zur Bestandserfassung. Die 365 Modelle und Studierendenarbeiten sowie 103 Präparate wurden hierbei einzeln untersucht, allseitig fotografiert und die Schadensbilder in Stichworten beschrieben. An neun äußerst wertvollen Wachsobjekten zur Arm- und Beinanatomie fanden Röntgenuntersuchungen sowie Materialanalysen statt, um offene Fragen hinsichtlich des Erhaltungszustandes zu klären. Im Fokus standen hierbei die Einschätzung der konstruktiven Stabilität sowie die Klärung eventuell materialbedingter Schadensprozesse am Wachskörper. Auch offene Fragen zur Herstellungstechnik konnten mittels dieser Untersuchungsmethoden beantwortet werden.

Weiterhin erfolgte an einem Großteil der 270 Gipsobjekte der Sammlung eine UV-Untersuchung, mit dem Ziel, Überfassungen, Fehlstellenüberarbeitungen und transparente Überzüge sowie Rückstände von Abformmaterialien sichtbar zu machen.

Überdies wurden für jedes Objekt Schadensursachen und derzeitige potenzielle Gefahren analysiert. Die überwiegenden Schäden sind auf einen fehlenden Staubschutz, den Gebrauch als Lehrmittel, unsachgemäß ausgeführte Reparaturen und starke mechanische Belastungen wie beispielsweise Stürze und Bestoßungen zurückzuführen. Gefährdet werden die Objekte u.a. durch herstellungstechnisch bedingte Fehler bzw. verwendete Materialien und damit verbundene Reaktionsprozesse. Auch der momentan noch fehlende Staubschutz wirkt sich weiterhin negativ auf den Erhaltungszustand der Objekte aus und muss somit als Gefahrenfaktor benannt werden.

Abschließend zu diesen Untersuchungen wurde jedem Objekt eine von insgesamt sechs Schadenskategorien zugeteilt. Diese beschreiben je drei stabile sowie drei instabile Gesamtzustände mit unterschiedlichen Abstufungen in Bezug auf die jeweiligen Schadensbilder. Von großer Bedeutung für den weiteren Umgang mit den Objekten ist hierbei in jedem Fall die Beurteilung der Transportfähigkeit.

Kategorie I:

stabil; Objekt ohne Schäden

Das Objekt benötigt keine weitere konservatorische Behandlung, da keine sichtbaren Schäden vorgefunden wurden (ausgenommen sind ggf. minimale trockene Reinigungsmaßnahmen / Abnahme von leichtem Oberflächenstaub); das Objekt ist verpackungs- und transportfähig.

Injektionspräparat eines Hundebeines, Inv.-Nr.: AP424T

Injektionspräparat eines Hundebeines, Inv.-Nr.: AP424T, Foto: Kerstin Riße

Das Präparat wurde 2014 hergestellt und 2016 in die Sammlung überführt. Aufgrund der Vitrine können Verschmutzungen nicht in die sensible Oberfläche eindringen.

stabil; Objekt ohne Schäden

Kategorie II:

stabil Objekt; mit partiellen Schäden

Es konnten wenige oberflächliche und partielle Schäden bestimmt werden (z.B. Verschmutzungen, kleinere Kratzer und Bestoßungen – ohne verlustgefährdetes Material). Es besteht keine Gefahr einer Verschlechterung des derzeitigen Erhaltungszustandes. Konservatorische Maßnahmen werden jedoch empfohlen; das Objekt ist verpackungs- und transportfähig.

Anatomie Unterschenkel (obere Muskeln), Inv.-Nr.: AG080M

Anatomie Unterschenkel (obere Muskeln), Inv.-Nr.: AG080M), Foto: Katharina Franz

Das Gipsmodell weist lediglich kleinere Fehlstellen und Blei- bzw. Farbstiftspuren auf.

stabil; Objekt mit partiellen Schäden

Kategorie III:

stabil; Objekt mit starken Schäden

Es konnten großflächigere Schäden delektiert werden (z.B. schlecht überarbeitete Fehlstellen, Deformationen oder Brüche – ohne verlustgefährdetes Material). Es besteht keine Gefahr einer Verschlechterung des derzeitigen Erhaltungszustandes. Konservatorische Maßnahmen werden jedoch empfohlen; das Objekt ist verpackungs- und transportfähig.

Anatomie Unterarm (mittlere Muskeln), Inv.-Nr.: AW027M

Anatomie Unterarm (mittlere Muskeln), Inv.-Nr.: AW027M, Foto: Jakob Fuchs

Das Wachsmodell ist aufgrund eines unkontrollierten Wärmeeintrages massiv beschädigt, die Hand ist irreversibel abgeknickt. Dieses Schadensbild hat jedoch keine Auswirkungen auf die Stabilität des Objektes.

Stabil; Objekt mit starken Schäden

Kategorie IV:

instabil; Objekt mit partiellen Schäden

Das Schadensbild ist stellenweise und kleinflächig ausgeprägt (z.B. punktuelle Schäden durch Brüche, Risse oder eine ungünstige Montage – mit tendenziell verlustgefährdetem Material). Bei entsprechender Lagerung ist nicht davon auszugehen, dass eine akute Verschlechterung des derzeitigen Erhaltungszustandes erfolgt. Konservatorische Maßnahmen werden jedoch dringend empfohlen; das Objekt ist nicht verpackungs- und transportfähig. Sperrvermerk für die Ausleihe.

Schädel Schaf, Inv.-Nr.: AP242T
Schädel Schaf, Inv.-Nr.: AP242T; Detailaufnahme vorderer Teil des Unterkiefers

Schädel Schaf, Inv.-Nr.: AP242T, Foto: Katharina Franz
Detailaufnahme vorderer Teil des Unterkiefers, Foto: Jakob Fuchs

Die Montage des Unterkiefers ist fehlerhaft und birgt eine Risikoquelle bezüglich der konstruktiven Stabilität. Auch die Zähne sind stellenweise stark verlustgefährdet.

instabil; Objekt mit partiellen Schäden

Kategorie V:

instabil; Objekt mit starken Schäden

Ein komplexes und ausgeprägtes Schadensbild liegt vor. Es können mehrere oder sehr großflächige Schadensphänomene delektiert werden (z.B. großflächige Schäden durch Brüche, Risse oder Überarbeitungen – mit weiterhin verlustgefährdetem Material). Bei entsprechender Lagerung ist nicht davon auszugehen, dass eine akute Verschlechterung des derzeitigen Erhaltungszustandes erfolgt. Konservatorische Maßnahmen werden jedoch dringend empfohlen; das Objekt ist nicht verpackungs- und transportfähig. Sperrvermerk für die Ausleihe.

Muskelmann von der linken Seite mit oberer Muskelschicht in Relief, Inv.-Nr.: AW022M
Muskelmann von der linken Seite mit oberer Muskelschicht in Relief, Inv.-Nr.: AW022M, Detailaufnahme Schulter

Muskelmann von der linken Seite mit oberer Muskelschicht in Relief, Inv.-Nr.: AW022M, Foto: Katharina Franz
Muskelmann von der linken Seite mit oberer Muskelschicht in Relief, Inv.-Nr.: AW022M; Detailaufnahme Schulter, Foto: Jakob Fuchs

Durch Brüche und Risse ist das Objekt stark geschädigt. An den Bruch- und Risskanten befinden sich kleine Absplitterungen des Wachskörpers, diese sind stark verlustgefährdet.

 instabil; Objekt mit starken Schäden

Kategorie VI:

instabil; Objekt muss notgesichert werden

Es besteht sofortiger konservatorischer Handlungsbedarf, da das Objekt aufgrund seines derzeitigen Erhaltungszustandes selbst bei entsprechender Lagerung weiter geschädigt wird (z.B. Materialablösung mit weiteren Verlusten bei geringfügigen Erschütterungen, Berührungen o.ä., akuter Schimmelbefall, Materialdegradationen); das Objekt ist nicht verpackungs- und transportfähig. Sperrvermerk für die Ausleihe.

Muskelpferd
Muskelpferd, Inv.-Nr.: AG165T; Detailaufnahme vordere Halsmuskulatur, Foto: Jakob Fuchs

Muskelpferd, Inv.-Nr.: AG165T, Foto: Katharina Franz
Muskelpferd, Inv.-Nr.: AG165T; Detailaufnahme vordere Halsmuskulatur, Foto: Jakob Fuchs

Der Gipskörper weist zahlreiche Brüche und einige Fehlstellen auf. Als problematisch ist jedoch die polychrome Fassung zu beurteilen: Hier kommt es zu zahlreichen Verlusten der Malschicht, die ggf. auf einen herstellungstechnischen Fehler zurückzuführen sind. Selbst kleinste Erschütterungen führen hier zu weiteren Verlusten.

 instabil; Notsicherung erforderlich

Im Ergebnis konnten 348 Objekte als stabil und 120 als instabil eingestuft werden. Von den stabilen Objekten weisen 1,5% keine Schäden, 68,0% partielle Schäden und 5,0% starke Schäden auf. 13,4% der instabilen Objekte sind lediglich geringfügig beschädigt, 7,0% stark und bei 5,1% müssen Notsicherungsmaßnahmen vorgenommen werden.

Aus dieser Statistik ergibt sich die Aussage, dass der überwiegende Teil der Sammlung in einem guten Zustand ist. Ein großes Ziel des Maßnahmenkataloges 2018 ist die Sicherung möglichst vieler der insgesamt 24 Objekte mit empfohlenen Notsicherungsmaßnahmen.