Ergebnisbericht der Bestandserfassung der Anatomischen Sammlung der Hochschule für Bildende Künste Dresden

// Dr. Sandra Mühlenberend

Die Bestands- und Zustandserfassung der Anatomischen Sammlung war Schwerpunkt der ersten Förderphase des BMBF-Projektes „Körper und Malerei“ und fand vom 01.02.2017 bis 31.01.2018 im Anatomiesammlungsraum in der Kustodie der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) Dresden statt.

Unter Allgemeine Hinweise zur Anatomischen Sammlung der HfBK Dresden sehen Sie begleitende Informationen zu ehemaligen Standorten der Sammlung, zu ehemaligen Lehrenden des Faches Künstleranatomie, zu historischen Bestandslisten und Inventaren sowie Inventarnummern, zu Quellen und Sekundärliteratur sowie zu bisher erfolgten Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen, einschließlich diesbezüglich durchgeführter Forschungsprojekte.

Arbeitssituation in der Anatomischen Sammlung

Arbeitssituation in der Anatomischen Sammlung, Foto: Maria Katharina Franz

Ausgangssituation

Die Erfassung ging einher mit der Zustandserfassung und Vergabe von Zustandskategorien sowie der Anfertigung mehrseitiger digitaler Arbeitsfotos jedes einzelnen Objektes. Als Fundament konnten die Objektdaten aus der 1999/2000 erstellten Microsoft Access Datenbank genutzt werden, die die Autorin in jener Zeit für ihr Dissertationsvorhaben „Surrogate der Natur“ entwickelt und angelegt hatte[1]. Diese Datenbank erfasst die Kerndaten der damals vorliegenden historischen Objekte, die sich seinerzeit in den Unterrichtsräumlichkeiten der Künstleranatomie im Hochschulgebäude in der Güntzstraße befanden. Die Inventarisierung wurde begleitet von einer analogen fotografischen Erfassung, sie erfolgte jedoch nach heutigen Maßstäben nicht einheitlich in Mehransichtigkeit und Qualität. Bezogen auf diesen Umstand und wesentlich dringlicher in der Sachlage, dass die Sammlung nun mehr Objekte beinhaltete als 1999/2000 aufgenommen wurden, galt es jetzt, die Daten des gesamten Bestandes zu prüfen sowie weitere zu erarbeiten und sie nach heutigen museologischen Standards in moderne Erfassungsmedien zu übertragen.

Dass sich die Anzahl der Exponate fast verdoppelt hat, resultiert aus der Sanierung der Hochschulgebäude Brühlsche Terrasse und Güntzstraße / Dürerstraße sowie aus der Neuplanung der Räumlichkeiten 2002/2003. Im Vorfeld dieser Maßnahmen entdeckten Mitarbeiter respektive die damalige Leiterin des Archivs und der Kustodie, Dr. Natalia Kardinar, weitere Objekte aus dem historischen Sammlungsbestand in unterschiedlichsten Räumen der Hochschule. Sie führten diese mit dem bis dato erfassten Konvolut in der neuen, hierfür vorgesehenen Räumlichkeit im Hauptgebäude der Hochschule auf der Brühlschen Terrasse zusammen. Einen kleinen Teil davon (etwa 40 Objekte) benötigte der Dozent für Künstleranatomie Sándor Dóró für seinen Unterricht im Aktsaal der Kunsthochschule auf der Brühlschen Terrasse, wo sie sich zum jetzigen Zeitpunkt noch befinden.[2]

Vom Zeitpunkt der Zusammenführung aller Objekte bis zum Beginn des BMBF-Projektes „Körper und Malerei“ (Februar 2017) fanden unter Leitung von Dipl.-Rest. Ivo Mohrmann, Professor im Studiengang Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Kunst- und Kulturgut, erste präventive Konservierungsmaßnahmen statt. Seit 2013 sichert Frau Dr. Simone Fugger von dem Rech, Leiterin des Archivs und der Kustodie, in ihrer Sammlungsverantwortlichkeit den Bestand durch klare Zugangs- und Nutzungsbestimmungen. In Absprache mit der Hochschulleitung wurde festgelegt, dass die Sammlung vorerst aufgrund ihres zum Teil prekären Zustandes durch die marginale Pflege der Lehrobjekte in den letzten 20 Jahren dem Anatomieunterricht nicht voll umfänglich zur Verfügung steht und der Sammlungsraum aufgrund eines fehlenden Ordnungssystems für Lehrveranstaltungen nur sehr eingeschränkt genutzt werden kann. Zugang erhielten nur wissenschaftliches Personal und ein ausgewiesenes Fachpublikum. Letztlich war von Anfang an Ziel, den Bestand für das Fach Künstleranatomie wieder als Lehrsammlung zu reanimieren, jedoch erst nach einer wissenschaftlichen Inventarisierung, nach notwendigen präventiven Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen sowie in einer angemessenen Präsentationsform, die auf einem inhaltlichen Konzept beruhen muss. Hierfür wurde unter anderem das BMBF-Projekt „Körper und Malerei“ initiiert.

Bestandserfassung in der ersten Förderphase des BMBF-Projektes „Körper und Malerei“

Um einen ersten Überblick über den Bestand zu erhalten und die Erfassung detailliert zu planen, erfolgte als erster Schritt eine Inventur auf Grundlage der vorliegenden Daten in Microsoft Access. Es wurde überprüft, ob sich die damals aufgenommenen Objekte noch in der Sammlung befinden und in welcher Anzahl nicht inventarisierte Objekte, teils aus dem Altbestand[3], hinzugekommen sind. Die zweitägige Prüfung/Zählung ergab, dass Objekte aus der Erfassung von 1999/2000 fehlten und diese sich im Aktsaal befinden. Zusätzlich wurde festgestellt, dass noch etwa 260 Objekte inventarisiert werden müssen.

Anatomischen Sammlung

Arbeitssituation in der Anatomischen Sammlung, Foto: Maria Katharina Franz

Als nächster Schritt erfolgte die Übertragung der Daten der 340 Objekte aus der bisher verwendeten Microsoft Access Datenbank in die Archivdatenbank AUGIAS-Archiv 9.1 Hierbei konnten die Daten noch einmal überprüft und ggf. aktualisiert bzw. erweitert werden. Letztere Maßnahme ging einher mit einer vertiefenden Auswertung von zugehörigen Quellen im Archiv, besonders aus dem 2010 von der Familie ans Archiv übergebenen Nachlass Gottfried Bammes (Bestand 07.10). Gottfried Bammes war von 1955 bis 1985 zuerst Dozent, später Professor für Künstleranatomie an der HFBK Dresden. Er prägte das Fach über die Hochschulgrenzen hinaus, er pflegte die Sammlung, bereicherte sie durch eigene Modellkonzeptionen und dokumentierte diese in seinen zahlreichen Publikationen. Ein Großteil der Vorarbeiten für seine Dokumentationen findet sich im Nachlass und bietet wichtige Informationen für die Rekonstruktion der Objekt- und Sammlungsgeschichte, nicht nur für Bammes Modellkonzeptionen, sondern auch für einige ältere Objekte. Mit der Auswertung dieses Materials und der Handakte von Gottfried Bammes[4] konnten einige Wissenslücken geschlossen und Vermutungen bestätigt werden. Die Rechercheergebnisse flossen in die Erfassungsmaske des jeweiligen Objektes – auf einer zweiten Erschließungsebene unter Quellenverknüpfung und neben der Aufnahme von Objektbezeichnung, Objekttitel, Beteiligte/Werkstatt/Künstler, Entstehungszeit, Maße, Technik, Material, Präsentation, Beschreibung, Herkunft, Standort und Signatur mit ein. Des Weiteren wurde zugehörige Literatur ausgewertet und ebenfalls im gleichnamigen Feld als Angabe fixiert.

Diese vertiefende wissenschaftliche Inventarisierung fand auch für die bisher nicht inventarisierten Objekte statt. Hier mussten jedoch die Kerndaten jedes einzelnen Objektes wie Objektkennzeichnung, Material, Technik, Maße und Signatur (falls vorhanden) noch direkt am Objekt abgelesen und mit einer neu zu erstellenden Inventarnummer in AUGIAS-Archiv 9.1 übertragen werden. Die Schreibweise der Inventarnummer orientierte sich an dem System der Inventarnummern, das die Autorin 1999 eingeführt hatte. Sie kennzeichnete sie einerseits mit „A“ für Anatomie und einem Buchstaben, der auf das Material bzw. auf die Objektkennzeichnung verwies, beispielsweise „G“ für Gips oder „P“ für Präparat. Danach folgt die zugewiesene Nummer, die mit dem Buchstaben „M“ für Mensch oder „T“ für Tier abschloss. Somit setzt sich beispielsweise eine Inventarnummer wie folgt zusammen: AG163T für „Muskelpferd“. Dieses System machte es möglich, den Bestand in mehrere Richtungen zu rastern. Wenngleich nach heutigen Gesichtspunkten und digitalen Möglichkeiten jene Verschlüsselung nicht unbedingt mehr nötig ist. Sie irritiert auch in der fortlaufenden Nummerierung, die mit der Neuaufnahme von Objekten nun gebrochen ist, und verdeutlich Schwächen bei jenen Objekten, die aus einem Materialkomposit bestehen. Die Entscheidung für die Weiterführung des Inventarnummern-Systems wurde aufgrund der schon veröffentlichten Daten in der Publikation der Dissertation der Autorin getroffen.

Zur Inventarisierung des Gesamtbestandes gehörte, wie eingangs erwähnt, auch die fotografische Erfassung, die von Katharina Franz (studentische Hilfskraft des BMBF-Projektes) durchgeführt wurde. Eine umfängliche Einweisung erhielt sie durch den wissenschaftlichen Mitarbeiter und Diplomrestaurator Jakob Fuchs. Standardisiert nahm sie jedes Objekt von mehreren Seiten, meist vier,  unter Einbringung eines Maßstabs und einer Farbkarte im Bild auf. Die gewonnenen digitalen Dateien wurden mit den zugehörigen Inventarnummern beschriftet und für die weitere Bearbeitung und Verwendung systematisiert auf einer externen Festplatte abgelegt. Die Verknüpfung von Bild und Datenbank AUGIAS-Archiv 9.1 erfolgt sobald die Speicherkapazität des Hochschulservers optimiert ist. Dann werden auch die digitalen Arbeitsfotos mit dem jeweiligen Objektdatenblatt (-maske) in AUGIAS-Archiv 9.1 verknüpft und in Erscheinung gebracht.

Neben diesen Erfassungsmaßnahmen in der ersten Förderphase des BMBF-Projektes wurden an jedem Objekt provisorische Zettel mit der handschriftlich vermerkten Inventarnummer angebracht. In der zweiten Förderphase, ab Februar 2018, erhält jedes Objekt seine endgültige Kennzeichnung – fachgerecht entweder direkt am Objekt oder durch ein bedrucktes Objektschild aufgebracht.

Ergebnisse der Bestandserfassung

In der Archiv-Datenbank wurden insgesamt 599 Objekte unter dem Sammlungskonvolut „Anatomische Sammlung“ wissenschaftlich inventarisiert, gegliedert in die Unterkonvolute „Modelle“, „Präparate“, „Lehrtafeln“ und „Studierendenarbeiten“:

  • 339 Modelle (283 zu Mensch und 56 zu Tier):
  • darunter zur Humananatomie 22 Wachsreliefs von Joseph Benedict Curriger und 15 Wachsmodelle von Carl Friedrich H. Heinemann zur Kopfanatomie (erste Hälfte 19. Jahrhundert) sowie 11 Wachsmodelle zur oberen und unteren Extremität (zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts), 11 Écorchés bzw. Muskeltorsi (Statuette bzw. lebensgroß) und zahlreiche Teilmodelle zur Oberflächenanatomie und Muskulatur in Gips bzw. Kunststoff (19. und 20. Jahrhundert), u.a. aus den ehemaligen Lehrmittelfirmen Gebrüder Weschke Dresden, Bock-Steger Leipzig und Deutsches Hygiene-Museum Dresden, sowie schematisierte Modelle aus der „Forschungswerkstatt“ Gottfried Bammes (zweite Hälfte 20. Jahrhundert)
  • darunter zur Tieranatomie 13 Kleinplastiken in Gips aus der Schule der Art Animalier (19. Jahrhundert), lebensgroße Tierköpfe in Gips sowie lebensgroße Modelle zur Muskulatur von Pferd, Hund und Tiger, Écorchés zu Pferd und Rind (Statuetten) u.a. aus der Werkstatt von Willy Zügel, Teilmodelle aus den ehemaligen Lehrmittelfirmen Kunstformerei Jos Unger Dresden, Gebrüder Weschke Dresden und Deutsches Hygiene-Museum Dresden
  • 103 Präparate (43 Mensch und 60 Tier):
  • darunter zur Humananatomie 29 Schädel/Teilskelette sowie 17 Skelettaufstellungen sowie ein Ganzkörperpräparate (19. und erste Hälfte 20. Jahrhundert)
  • darunter zur Tieranatomie 25 Schädel/Teilskelette und 30 Skelettaufstellungen (erste Hälfte 20. Jahrhundert), 4 Nasspräparate
  • 131 Lehrtafeln
  • darunter zahlreiche Tafeln aus dem Deutschen Hygiene Museum Dresden und handgezeichnete Tafeln von Guido Richter (erste Hälfte 20. Jahrhundert)
  • 26 Studierendenarbeiten

Die Datenbank AUGIAS-Archiv 9.1 macht nun eine wissenschaftliche Recherche in mehrere Richtungen möglich. Der Bestand kann nach unterschiedlichen Fragestellungen gerastert werden bzw. ist jedes einzelne Objekt mit seinem Datensatz einsehbar. Die Erfassungsergebnisse verdeutlichen nun noch differenzierter als in der von der Autorin festgehaltenen Sammlungsanalyse ihrer Dissertation (veröffentlicht 2007), wann und wie die Sammlung in einem Zeitraum von etwa 200 Jahren gewachsen ist, welche Lehrschwerpunkte gesetzt wurden. Weitere Erkenntnisse werden sich aber auch in der zweiten Förderphase des BMBF-Projektes „Körper und Malerei“ einstellen, wenn noch zusätzliche Tiefenanalysen vorgenommen werden. Zudem werden die Objekte, die sich noch bis Mitte Juli 2018, bis zum Austritt Sándor Dórós im Aktsaal der Kunsthochschule befinden, inventarisiert werden. Anschließend steht in der Kustodie der HfBK Dresden das Konvolut „Anatomische Sammlung“ in der Datenbank AUGIAS-Archiv 9.1 für Recherchearbeiten interner wie externer Wissenschaftler bzw. einem Fachpublikum zur Verfügung. Eine Veröffentlichung auf einschlägigen Internet-Plattformen ist aufgrund geeigneter Schnittstellen möglich.


[1] Siehe Mühlenberend, Sandra: Surrogate der Natur. Die historische Anatomiesammlung der Kunstakademie Dresden, München 2007.

[2] Sándor Dóró wird noch bis Mitte Juli 2018 die Künstleranatomie an der HfBK Dresden lehren. Danach gehen die von ihm verwendeten Lehrmittel zurück in die Anatomische Sammlung und werden dort inventarisiert und wieder integriert, um sie mit der dritten Förderphase des BMBF-Projektes in einer bearbeiteten, neu aufgestellten Lehr-und Schausammlung zu präsentieren bzw. für den Unterricht des Faches Künstleranatomie bereitzustellen.

[3] Zum Altbestand gehören jene Objekte, die zwischen 1800 und 1985 in die Sammlung aufgenommen wurden. Bis zu jenem Zeitpunkt, zur Emeritierung Gottfried Bammes 1985 wurde die Sammlung umfassend durch Assistenten gepflegt und kontinuierlich durch neue Modellkonzeptionen von Gottfried Bammes erweitert. Danach gelangten nur noch Arbeiten von Studierenden, und dies eher zufällig, in die Sammlung.

[4] Siehe Handakte Gottfried Bammes, Archiv HfBK Dresden, Sign. 03/1603.