„Die Muskeln des Menschen“, Lehrtafel, zwischen 1923-1945 Anatomische Sammlung der HfBK Dresden, Inv. Nr. AL053

„Die Muskeln des Menschen“
Lehrtafel, zwischen 1923-1945
Anatomische Sammlung der HfBK Dresden, Inv. Nr. AL053

Gedruckte Wand- bzw. Lehrtafeln wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts populär und waren bis vor Kurzem noch einflussreiche Bildmedien im Unterricht. Entscheidende Voraussetzungen für den sukzessiven Einzug der Lehrtafeln in die Schulen und somit auch in die Dresdner Kunsthochschule waren die Erfindung der Lithografie Ende des 18. Jahrhunderts und die im Laufe des 19. Jahrhunderts voranschreitende drucktechnische Entwicklung. Viele Themen verschiedenster Disziplinen wurden mit diesem Bildmedium in den letzten 100 Jahren vermittelt, nun vielerorts abgelöst von digitalen Bildgebern.

Die historischen anatomischen Lehrtafeln zeigen überwiegend den Bau des menschlichen Körpers, die Lage der inneren Organe oder den Blutkreislauf. Mit der Etablierung der Gesundheitserziehung Anfang des 20. Jahrhunderts tat sich besonders das zu diesem Zweck 1912 gegründete Deutsche Hygiene-Museum in Dresden mit der Entwicklung, Produktion und dem Vertrieb von Lehrtafeln hervor. Das Museum belieferte unterschiedlichste Bildungseinrichtungen – vorzugsweise Schulen und medizinische Ausbildungsstätten, aber auch Kunsthochschule kauften die zu jener Zeit sehr didaktischen Hilfsmittel für ihren anatomischen Unterricht.

Die Anatomische Sammlung der HfBK Dresden besitzt eine große Anzahl von Lehrtafeln, insgesamt 141, die jedoch nicht alle auf das Deutsche Hygiene-Museum Dresden zurückgehen. Bei einigen handelt es sich sogar um Originalzeichnungen, die von Dozenten bzw. Studierenden für die Lehre als Lehrtafel angefertigt worden sind. Dass auch diese oft in Gebrauch waren, zeigen die zahlreichen kleinen Nadellöcher an den Ecken der gerollten Zeichnungen. Die gedruckten Lehrtafeln sind oben und unten an Leisten befestigt. Diese Lehrtafeln wurden an einem Ständer aufgehängt.

Der Fokus der kleinen Sondersammlung „Historische Lehrtafeln“ der HfBK Dresden liegt auf der Vermittlung der Anatomie und Proportion des Menschen; einige thematisieren die Anatomie des Pferdes. Des Weiteren gibt es eine Serie von Lehrtafeln zur Ersten Hilfe sowie eine Serie zur Körperhygiene aus dem Deutschen Hygiene-Museum Dresden – erstere erworben zwischen 1930 und 1942, letztere zwischen 1946 und 1955. Die Tafeln vermitteln nicht nur anatomische Tatbestände, sie sind heute zudem historische Quelle für die jeweiligen ästhetischen, erzieherischen und eben auch politischen Schwerpunkte.

Die Lehrtafeln hatten eine hohe didaktische Aufgabe. Mithilfe ihrer sollten klare Vorstellungen vom Lerngegenstand entstehen und die Wissensvermittlung gefestigt werden. Für die Künstleranatomie waren besonders die Lehrtafeln zum Skelett- und Muskelaufbau des Menschen bedeutsam. Sie komplettierten die Sammlung, die bis Anfang des 20. Jahrhunderts überwiegend aus Abgüssen und Präparaten bestand. Mit Lehrtafeln konnten Anatomien bzw. anatomische Details mit schriftlichen, sofort sichtbaren Informationen verbunden werden.

Die Lehrtafel „Die Muskulatur des Menschen“ zeigt anschaulich dieses Prinzip: Dargestellt ist ein Muskelmann in verlebendigter Haltung, der breitbeinig, mit erhobenem linken Arm und die Hände zu Fäusten geballt, alle Muskeln anspannt. Diese Wiedergabe war besonders typisch für Anatomievorlagen für angehende Künstler im 18. wie im 19. Jahrhundert und was bis weit ins 20. Jahrhundert hinein auch maßgebend für allgemeinbildende Schulen. Der hier gezeigte männliche Körper ist idealisiert und zielt auf die Wiedergabe einer kraftvollen Athletik. Die einzelnen Muskeln sind nummeriert, eine Legende war ursprünglich der Tafel beigelegt. Der Lehrende konnte an der Lehrtafel die einzelnen Muskeln und ihre Zusammenhänge erklären und danach das vermittelte Wissen bei den Studierenden bzw. Schülern abfragen. Die Tafel ist somit Lehr- und Prüfungsgegenstand zugleich.

// Sandra Mühlenberend