Sieben anatomische Reliefs zum Muskelaufbau des Menschen

Sieben anatomische Reliefs zum Muskelaufbau des Menschen

um 1800
Wachsarbeiten in schwarzen Rahmen hinter Glas; jeweils 28 x 25 x 2,5 cm
vermutlich zeitgenössische Kopien der Wachsarbeiten von Josef Benedikt Kurriger (1754-1819) nach Vorlagen aus Bernhard Siegried Albinus, Tabulae sceleti et musculorum corporis humani, 1747
Anatomische Sammlung HfBK Dresden, Inv. Nr.: AW016M; AW017M; AW018M; AW019M; AW020M; AW021M; AW022M

Zu den absoluten Besonderheiten der Anatomischen Sammlung der Hochschule für Bildende Künste gehören 22 anatomische Wachsreliefs, die überwiegend in schwarze Rahmen hinter Glas gesetzt und zwischen 25 x 20 cm und 28 x 20 cm groß sind. Sie zeigen einzelne Organe bzw. Teile des menschlichen Körpers in stark verkleinertem Maßstab. Als Vorlagen dienten Illustrationen aus medizinischen Traktaten namhafter Wissenschaftler wie Siegfried Albinus, John Hunter oder Thomas Samuel Soemmering. Ein Vergleich mit ähnlichen oder zum Teil motivgleichen Exponaten der Universitäten Zürich und Göttingen erlauben den Schluss, dass es sich hierbei um zeitgenössische Kopien der Arbeiten von Josef Benedikt Kurriger handelt, von denen – ob Original oder Kopie – nur noch sehr wenige existieren.

Kurriger, Modelleur aus Einsiedeln (Schweiz) fertigte ursprünglich religiöse Wachsdevotionalien, bis er nach anatomischen Studien in Paris mit der Darstellung der menschlichen Anatomie in Wachs begann. Diese formte er frei nach Vorlagen aus unkoloriertem Wachs, dem er etwas Mörtel beimischte. Die Lizenz zum Vertrieb erhielt die Tübinger Firma W. Fr. Haselmeier, die die Wachsreliefs vervielfältigten und auf Messen an „Ärzte, Naturforscher und Lehreinrichtungen im In- und Ausland“ verkauften.

Die siebenteilige Serie von Wachsreliefs, die Ganzkörperansichten in verschiedenen Muskellagen zeigen, sind plastische Übersetzungen anatomischer Illustrationen aus dem epochalem Werk „Tabulae Sceleti et musculorum corporis humani“ von Bernhard Siegfried Albinus aus dem Jahr 1747. In der Vorlage von Albinus stehen die verlebendigten Muskelmänner in jeweils wechselnden, phantasievollen Barocklandschaften mit Pflanzen, Architekturstücken und Tieren; Kurriger verzichtet auf diese Zufügung und konzentriert sich auf die präzise Wiedergabe der Figuren, die – dementsprechend nüchterner – in kontrapostischer Haltung die einzelnen Muskelschichten an sich referieren.

Zwar formte Kurriger nach eigenen Angaben diese Reliefs als Abhilfe für die Knappheit und Verderblichkeit von Leichen, dennoch konnten sie in ihrer Kleinteiligkeit dem genauen Studieren der menschlichen Anatomie nicht besonders dienlich sein. Vergleicht man sie mit den plastischen Écorchés seiner Zeit, dann ist erkennbar, dass sie außerhalb der großen Tradition der anatomischen Plastik stehen. Ihre Wurzeln liegen primär sowohl im Bereich des Kunsthandwerks, bei Medaillons sowie bei Devotionalobjekten. Kurriger verband seine ceroplastischen Talente mit seinen anatomischen Interessen und schuf einen unabhängig, neuen Modelltyp, der bis heute ohne Nachfolge blieb. Sie erinnern mehr an Kunstkammerstücke, die auch für ihre besondere Machart bewundert wurden. Und es ist zu vermuten, dass diese Wachsreliefs im 19. Jahrhundert über einen lehrenden Mediziner in die Sammlung gelangten und dort weniger als Lehrobjekte, sondern mehr als historische Anschauungsobjekte angesehen wurden.

// Sandra Mühlenberend