Muskelpferd von Ernst Gottlieb Matthäi

Muskelpferd
Gips, farbig gefasst
von Ernst Gottlieb Matthäi
entstanden 1821 / 22 in Dresden
Anatomische Sammlung der HfBK Dresden, Inv.-Nr. AG165T

Im Auftrag Wilhelm Burkhard Seiler, Professor für Künstleranatomie an der Dresdner Kunstakademie, wurde 1821/22 in Dresden von dem Bildhauer Ernst Gottlieb Matthäi (1779 – 1842) ein Muskelpferd angefertigt. Die farbig gefasste Kleinplastik aus Gips misst eine Höhe von 46 cm und eine Länge von 41 cm. Das Pferd steht in einer Art Piaffe auf einer rechteckigen Gipsplatte und wird mit einer kleinen Metallstange zwischen Bauch und Platte gestützt. Es demonstriert in seiner sehr elegant wirkenden Haltung die obere Muskelschicht bzw. an der linken Hüfte tiefere Muskellagen. Es ist das erste anatomische Pferde- bzw. Tiermodell, das für den tieranatomischen Unterricht der Kunstakademie Dresden modelliert wurde. Kopien dieser Kleinplastik pries man infolge anderen Kunstakademien, Anatomen und Tierarzneischulen an: „Wir beeilen uns, unsere Leser auf dieses […] hervorragende Kunstwerk aufmerksam zu machen, indem es Künstlern, Anatomen und Thierärzten, besonders aber öffentlichen Instituten dieser Art eine höchst willkommene Erscheinung ist. Ref., der die Arbeit selbst vielfach zu betrachten Gelegenheit gehabt hat, muss ausser der Schönheit, Richtigkeit und lehrreichen Anordnung des ganzen auch insbesondere noch den Umstand hervorheben, dass die Gesamtform des Pferdes nicht ein zerfleischter ungestalteter Cadaver, sondern eine Statue voll Leben und Anmuth darstellt; ein Umstand, der für den Gebrauch, welchen der bildende Künstler davon zu machen gedenkt, nichts weniger als gleichgültig ist. (Ch.)“[1] Ursprünglich wurde die Plastik in zwei Ausführungen hergestellt und angeboten: „Der Preis des Modelles, mit einfachem Fussgestelle, ist zwanzig Thaler Conv. Münze; mit einem Postamente, an welchem das Baserelief […] angebracht ist, fünf und zwanzig Thaler Conv. Münze.“[2]

Ernst Matthäi war ehemals Thorvaldsen-Schüler in Rom und gehörte zur Lehrerschaft der Dresdner Kunstakademie, wo er auch Wilhelm Burkhard Seiler kennenlernte. Seiler regte die Arbeit an und gab mit dem Hofrat C. A. Böttiger eine Begleitpublikation zur Skulptur heraus, die die Plastik bis in Detail beschreibt. Außerdem ist sie mit einem Kommentar von Carl Gustav Carus, einem Vorwort von Matthäi selbst und drei Abbildungen versehen, die letztlich mit dem dazugehörigen Gipsmodell die Präsentation im Sinne einer klassizistischen Kunsttheorie bemühen: Matthäi modellierte nach eigenen Aussagen ein Muskelpferd nach antikem Vorbild, dem Cheval Antique Écorché, das sich in der Villa Mattei in Rom befindet. Jene kleine Plastik hatte schon als Modell für das Pferd des Reiterstandbildes Marc Aurels in Rom gedient. Gleichzeitig befanden sich in einer Variante des Muskelpferdes am Sockel zwei nachgebildete antike Reliefs, die im Textband abgebildet und von Böttiger beschrieben wurden. Das eine Relief stellt den Pferdekopf vom östlichen Giebelfeld des Parthenons dar, das andere eine Entführung der Helena nach einem Terrakottarelief im Britischen Museum in London.

Kupfertafel aus Seiler, Böttiger: Erklärungen der Muskeln und des Basereliefs an Ernst Matthaei´s Pferdemodelle, 1823
Kupfertafel aus Seiler, Böttiger: Erklärungen der Muskeln und des Basereliefs an Ernst Matthaei´s Pferdemodelle, 1823
Kupfertafel aus Seiler, Böttiger: Erklärungen der Muskeln und des Basereliefs an Ernst Matthaei´s Pferdemodelle, 1823

Drei Kupfertafeln, aus Seiler, Böttiger, Erklärungen der Muskeln und des Basereliefs an Ernst Matthaei´s Pferdemodelle, 1823.

Seiler berichtet im Begleitheft ausführlich von Matthäis Präparatestudium im Vorfeld des Projektes und verdeutlicht so, dass hier nicht nur Kopieeinheiten zusammengefügt wurden: „Herr Matthaei hat dieses Modell durchaus nach frischen Präparaten gefertigt, die theils nach meinen Angaben und unter meiner Leitung von den geschickten Pensionär-Thierärzten Herren Prinz und Noack, theils von mir selbst in der Königl. Thierazneischule zu Dresden ausgearbeitet worden sind. Es genügte uns der in Lebensgrösse genommene Abguss der Muskeln des Pferdes nicht, sondern wir haben jeden einzelnen Theil des Modelles mehrere Mal mit frisch gefertigten Präparaten verglichen und da, wo es noch fehlte, nachgeholfen.“[3] Am Modell ist dieses Vorstudium kaum noch zu erkennen; Matthäis Pferd vermittelt eher plastisches Einfrieren gesehener Vorlagen und mehr den künstlerischen als den wissenschaftlichen Impetus. Und so ist zu lesen, dass er mit seiner Arbeit unter anderem auch das antike Vorbild in der Villa Mattei in Rom verbessern wollte: „Ich habe zwar bei der Ausarbeitung dieses Modells die Stellung und die Proportionen des Pferde-Modells in der Villa Mattei im Allgemeinen beibehalten, jedoch Mehreres, was mir fehlerhaft erschien, verbessert. Der Künstler hatte ohne Zweifel ein Pferd von der andalusischen Raçe zum Vorbilde gewählt, dem beliebtesten Paradepferde bei den Römern, von kurzem, gedrängten Körperbaue, dergleichen man fast in allen ächt antik römischen Pferdestatuen und Basreliefs sieht. Ich glaube, dass man von unserem Pferde von mittlerer Statur, die Form der Muskeln eben so leicht auf einen gestreckten Engländer, als auf eines der kleineren und gedrängteren polnischen Pferde wird übertragen können.“[4]

Sandra Mühlenberend

[1] In: Allgemeine medizinische Annalen, Dresden, Januar 1823, S. 141.

[2] Ernst Matthaei, Vorwort, in: Wilhelm Burkhardt Seiler und C. A. Böttiger, Erklärungen der Muskeln und des Basereliefs an Ernst Matthaei’s Pferde-Modelle, mit drei Kupfertafeln, Dresden 1823, S. VI.

[3] Ebenda.

[4] Ebenda.