Fünf Gemälde aus vier Jahrzehnten. Kunsttechnologische Spurensuche
Abb. 1:
Jan Buck: Junge Chemielaborantin, 1953, Öl/Leinwand, 100 x 70,5 cm, Inv.-Nr. A 0224,
Rechte: Peter Buck
Abb. 2:
Werner Wischniowski: Im Kindergarten, 1957, Öl/Leinwand, 80 x 64,7 cm, Inv.-Nr. A 0374,
Rechte: Kristine Wischniowski-Helas
Abb. 3:
Gerhard Floß: Nadelarbeit, 1961, Öl/Leinwand, 120 x 111 cm, Inv.-Nr. A 0491,
Rechte: Mathias Floß
Abb. 4:
Steffen Fischer: Portrait Wolfang B, 1982, Öl/Leinwand, 55 x 70 cm, Inv.-Nr. A 0774,
Rechte: Steffen Fischer
Im Rahmen des Projektes „Körper und Malerei“ wurden fünf Gemälde aus der Gemäldesammlung der Hochschule für Bildende Künste Dresden erstmals kunsttechnologisch untersucht. Die Gemälde gingen als Diplomarbeiten zwischen 1953 und 1982 in die Hochschulsammlung über und bilden somit die praktische Lehre der Malerei für diesen Zeitraum beispielhaft ab.
Die kunsttechnologische Erfassung wurde von fünf Studierenden des ersten Studienjahres im Studiengang für Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Malerei auf mobilen Bildträgern an der HfBK Dresden durchgeführt. Mithilfe mikroskopischer, makroskopischer und strahlentechnischer Untersuchungen gingen die Studierenden den Fragen nach der Entstehungsgeschichte und dem Werkprozess der Gemälde nach. Dabei wurden die Spannrahmen, die Bildträger, die Grundierungen, die Malschichten sowie mögliche Überzüge untersucht. Diese Studien wurden durch Recherchen im Archiv der Hochschule ergänzt. Eine Besonderheit war die Möglichkeit, drei der ausgewählten Künstler*innen – Jan Buck, Thea Richter und Steffen Fischer – persönlich zu Ihren Arbeiten befragen zu können. Schließlich wurden die Untersuchungsergebnisse in Schrift und Bild dokumentiert und liegen nun ausführlich im Archiv der Hochschule sowie im Archiv des Studiengangs Restaurierung zur Einsicht vor.
Für eine bessere Vergleichbarkeit wurden von etwa 330 Diplomgemälden des 1.500 starken Gemäldekonvoluts aus der Zeit der DDR fünf Figurendarstellungen ausgewählt. Das älteste der fünf Gemälde ist das Diplombild des sorbischen Künstlers Jan Buck (*1922) und datiert in das Jahr 1953. Es zeigt eine „Junge Chemielaborantin“ im Brustbild. (siehe Abb. 1) Laut Aussage des Künstlers stand ihm eine ‚Nichtlaborantin‘ Modell, die er mit Laborkittel in einem fiktiven Labor inszenierte. Die Diplomarbeit wurde von Prof. Rudolf Bergander betreut.
Das Diplombild von Werner Wischniowski (1927-2009) stammt aus dem Jahr 1957. Er malte das Portrait zweier Kinder mit dem Titel „Im Kindergarten“. (siehe Abb. 2) Die Arbeit wurde von Prof. Paul Michaelis betreut.
Der Künstler Gerhard Floß (1932-2009) reichte sein Diplomgemälde mit dem Titel „Nadelarbeit“ im Jahre 1961 ein. Es zeigt ein Gruppenbild mit Kindern. (siehe Abb. 3) Diese Diplomarbeit wurde ebenfalls von Prof. Paul Michaelis betreut.
Die Abschlussarbeit der Künstlerin Thea Richter (*1945) aus dem Jahr 1971 besteht aus insgesamt drei Gemälden, wovon das Portrait einer Weberin für die Untersuchung ausgewählt wurde. Thea Richter berichtete, dass sie für das Gemälde ein Modell als Weberin in Szene gesetzt hatte. Auch diese Arbeit wurde von Prof. Paul Michaelis begleitet.
Das jüngste Gemälde der Auswahl malte Steffen Fischer (*1954) im Jahr 1982. Es trägt den Titel „Portrait Wolfang B“. (siehe Abb. 4) Das Diplom wurde von Prof. Günter Horlbeck betreut. Fischer berichtete, dass er das Gedicht „Die Legende vom toten Soldaten“ von Berthold Brecht als Leitthema wählte. Das vorliegende Portrait eines unbekannten Mannes ist Teil des größeren Diplomkonvolutes von Fischer.
Alle fünf Gemälde sind auf textile Bildträger gemalt, die auf hölzernen Spannrahmen aufgespannt sind. Die Gewebe sind allesamt in einfacher Leinenbindung gewebt, unterscheiden sich jedoch in der Eigenfarbe und Webdichte. Alle fünf Bildträger sind mit metallenen Nägeln aufgespannt worden. Die unregelmäßigen Nagelabstände lassen die Vermutung zu, dass die Aufspannungen eigenhändig durch die Künstler*innen vorgenommen wurden. Sowohl Thea Richter als auch Steffen Fischer bestätigen diese Annahme für ihre Bilder.[1] Bei allen Gemälden schließen die Spannränder mit den Spannrahmen ab. Bei Richter und Wischniowski ist jeweils eine Webkante erhalten, woraus sich Kett- und Schussfäden der Websysteme bestimmen lassen. Die anderen Spannränder wurden nach dem Aufspannen beschnitten.
Die fünf Spannrahmen bestehen je aus vier zusammengesetzten Holzleisten. Die Eckverbindungen der Spannrahmen wurden bei allen Rahmen mit Schlitz-Zapfen-Verbindungen auf Gehrung gefügt. Somit wären theoretisch alle Rahmen keilbar. Bei dem Gemälde von Thea Richter wurden die Ecken jedoch mit Platten fixiert, bei Floß wurde eine Querleiste angenagelt. Bei den Gemälden von Fischer und Buck sind keine Keile vorhanden, sodass ein Auskeilen wohl nie stattgefunden hat. Bei Wischniowski sind nur vier von acht Keilen erhalten. Handschriftliche Bleistiftanzeichnungen und Ungenauigkeiten in der Montage weisen auf die eigenhändige Fertigung durch die Studierenden hin. Auch dies bestätigten Fischer und Richter.[2]
Vier der fünf Bilder weisen sogenannte Spanngirlanden im Gewebe zwischen den Nagelungen auf. Diese deuten auf eine Vorleimung der Bildträger nach dem Aufspannen und vor der Grundierung hin. Fischer und Richter bestätigten zudem, dass die Bildträger entsprechend vorbehandelt wurden.
Die vier Gemälde von Buck, Wischniowski, Floß und Richter weisen eine weiße Grundierung auf, dagegen ist das Gemälde von Fischer hellgelb grundiert. Die Grundierungen reichen allesamt nur bis an die Spannkanten, während die Spannränder ungrundiert sind. Dies zeigt, dass die Bildträger eigenhändig grundiert wurden. Auch diese Vermutung wird durch die Aussagen von Richter und Fischer gestützt.[3] Eine Besonderheit bei dem Gemälde von Buck ist eine braune Imprimitur, das heißt eine flächige Untermalung auf der Grundierung, die sich mindestens im Hintergrund des Bildmotivs befindet.
Eine Vorzeichnung ist beim Gemälde von Fischer sichtbar. Sie wurde mit schwarzer Farbe ausgeführt. Auch Richter erinnert sich, eine Vorzeichnung mit verdünnter Ölfarbe ausgeführt zu haben, die heute unter der Malerei verborgen ist.[4]
Ohne Bindemittelanalysen lässt sich keine klare Aussage über die materielle Beschaffenheit der Malerei treffen. Dennoch gibt es bei vier Gemälden Hinweise auf die Verwendung von Ölfarben. Fischer, Richter und Buck berichten im Gespräch, Ölfarben verwendet zu haben.[5] Richter gibt zusätzlich an, die gekauften Ölfarben mit Dammarfirnis verdünnt zu haben.[6] Für das Gemälde von Floß fand sich in der Studentenakte ein Hinweis auf die Verwendung von Ölfarben. Alle untersuchten Bilder lassen die Verwendung von Pinseln für den Farbauftrag erkennen; Buck und Floß gebrauchten hierfür zusätzlich auch Spachtel. Einzig in dem Gemälde von Floß sind Spuren von gestalterischen Ritzungen mit einem spitzen Gegenstand erkennbar.
Nur eines der fünf Gemälde zeigt Hinweise auf einen Oberflächenüberzug: Das Gemälde von Buck weist unter UV-Strahlung besonders in den dunklen Bildpartien eine flächige, grüne Fluoreszenz auf, die als Indiz für einen Firnis gewertet werden kann.
Drei der Gemälde tragen einen Schmuckrahmen. Die Rahmen sind aus einfachen Leisten zusammengefügt und monochrom gefasst. Fischer berichtet, den Schmuckrahmen selbst angefertigt und gefasst zu haben. Sicherlich wurden auch die Rahmen der Gemälde von Floß und Richter in der hochschuleigenen Werkstatt gebaut. Es ist anzunehmen, dass auch die beiden Gemälde von Buck und Wischniowski ehemals mit Rahmen versehen waren.
Möchte man diese kleine Bildauswahl als Querschnitt für den betrachteten Zeitraum zwischen 1953 und 1982 gelten lassen, so lässt sich eine Kontinuität in der Art der Gemäldeaufbauten ablesen. Dass alle untersuchten Bilder textile Bildträger besitzen, ist zwar der gezielten Vorauswahl geschuldet, jedoch sind die Gemälde der Hochschulsammlung tatsächlich zu etwa 50% auf textilen Bildträgern gemalt. Daneben sind mehrheitlich Hartfaserplatten und vereinzelt Holztafeln, Pappen, Papier und Mischbildträger verwendet worden. Die Untersuchungen zeigen, dass auch die textilen Bildträger über den betrachteten Zeitraum verschiedenartig waren und nicht eine bestimmte Gewebeart standardmäßig eingesetzt wurde. Es ist auch deutlich geworden, dass die Bildträger und Malgründe eigenhändig und nach einem ähnlichen Schema vorbereitet wurden. Diese Beobachtung lässt darauf schließen, dass die maltechnischen Arbeitsgänge Bestandteil der künstlerischen Lehre gewesen sind. Die Untersuchungen zeigen jedoch auch individuelle Abweichungen und solche, die sich über die Jahrzehnte vollzogen haben: So hat das älteste untersuchte Gemälde als einziges Bild einen Firnis und das jüngste untersuchte Gemälde als einziges Bild eine gelbe Grundierung. Schließlich lässt sich an den Bildbeispielen ablesen, dass die Auffassung und Umsetzung der Malerei ab den 1970er Jahren immer freier wird. Ob sich dieser Wandel der malerischen Auffassung auch in der verwendeten Maltechnik widerspiegelt, soll im Rahmen des Forschungsprojektes durch weitere Gemäldeuntersuchungen und gezielte Recherchen nach Lehrplänen weiter ergründet werden.
Die Autorin dankt den Künstler*innen und den rechtlichen Vertretern sehr herzlich für die Genehmigung zur Veröffentlichung der Abbildungen und im Besonderen den Künstler*innen Jan Buck, Thea Richter und Steffen Fischer für Ihre Auskunftsbereitschaft.
Esther Rapoport
[1] Vgl. Dokumentation Thea Richter, Weberin, 1971und Dokumentation Steffen Fischer, Portrait Wolfgang B, 1982, Archiv HfBK Dresden.
[2] Ebd.
[3] Ebd.
[4] Ebd.
[5] Ebd. und Dokumentation Jan Buck, Junge Chemielaborantin, 1953, Archiv HfBK Dresden.
[6] Ebd.