Volker Köpp
„Reiter am Meer“
Diplomarbeit 1981, Hochschule für Bildende Künste Dresden
Mischtechnik auf Leinwand, 150,5 x 180 cm
Kustodie der Hochschule für Bildende Künste Dresden, Inv.-Nr. A 0159
Der Strand am Meer ist als Sehnsuchtsort sehr häufig in die bildende Kunst eingegangen und hat insbesondere innerhalb der Landschaftsmalerei einen besonderen Stellenwert. Seit Ende des 19. Jahrhunderts, als die Transportmittel schneller und das Reisen auch in fernere Länder einfacher wurde, bannten Künstler wie Paul Gauguin oder Max Pechstein den Zauber von Südseestränden mit ihren als exotisch empfundenen Bewohnern auf ihre Leinwände. Die Gründungen zahlreicher Künstlerkolonien an der Ostsee, z.B. in Ahrenshoop, zeugen von der Suche nach Ursprünglichkeit. Das reine Landschaftsbild, in dem eine unverfälschte, der göttlichen Schöpfung nachempfundene Natur ihren Platz hatte, wurde nunmehr hinterfragt und in Korrelation mit einer sich immer rascher wandelnden, technisierten Welt gestellt. Doch bald hatten auch die entlegensten Orte wie etwa die Südsee ihre Unschuld verloren. Der Mensch formt bis heute die Landschaft und ist ein Teil von ihr.
In Volker Köpps Gemälde „Reiter am Meer“ erschließt sich der Bezug des Menschen zu seiner Umgebung erst nach längerer Betrachtung. Zwei Männer auf braunen Pferden und eine Frau im Bikini sind am Strand zu sehen. Dahinter breitet sich die dunkle Meeresfläche aus. Ein schmaler, heller Horizontstreifen wird zum oberen Bildrand hin von einer dunklen Himmelsfläche abgelöst. Der mittlere Reiter und sein schräg nach vorn stehendes Pferd nehmen fast die gesamte Bildhöhe ein. Der Mann hält das muskulös wiedergegebene Tier fest am Zügel. Der Pferdekopf bäumt sich leicht auf, das Maul scheint zum Wiehern geöffnet. Das Pferd des anderen Reiters nimmt links versetzt im Wasser stehend eine ähnliche, jedoch gegenläufige Position ein. Im Gegensatz zu dem bekleideten, bärtigen Reiter vorn trägt der Reiter dieses Pferdes nur blaue Hosen und eine rote Schirmmütze, sein Oberkörper ist nackt. Die rechts neben den Pferden befindliche Frau in Rückenansicht ist bis auf den roten Bikini gänzlich unbekleidet. Der Sand, das Wasser und der Himmel erscheinen unbewegt und starr, die Farbflächen werden vor allem durch den Schlagschatten der Figuren belebt. Ein vom Meer kommender Wind ist lediglich am wehenden Haar der Frau zu erkennen. Die für die See typischen Elemente Wind und Wasser werden somit nur angedeutet und nicht plakativ-malerisch ausgekostet. Auch wirken die Figuren nicht interagierend als Gruppe. Ihre Positionen verharren vereinzelt, die gesichtslosen Köpfe wenden sich zum Meer hinaus. Allein die aufgerissenen Pferdeaugen vermitteln eine emotionale Regung.
Volker Köpps Heimat Usedom, wo er seit 1993 wieder lebt und seit 2003 eine Galerie unterhält, ist nach wie vor ein häufig anzutreffendes Motiv innerhalb seines Werks. Der 1953 geborene Künstler machte zunächst eine Ausbildung als Forstarbeiter und war danach als Requisiteur am Theater in Cottbus tätig. Parallel dazu nahm er am Abendstudium der Hochschule für Bildende Künste Dresden teil, wo er anschließend von 1976 bis 1981 das Studium der Malerei und Grafik absolvierte. Das Gemälde „Reiter am Meer“ ist Teil seines Diploms mit dem Gesamtthema „Aus dem Lebensbereich von Forstarbeitern“ bei Prof. Jutta Damme.[1] Die beiden anderen Diplombilder „Holzeinschlag“ und „Winterlandschaft I“ nehmen die biografisch gefärbte Thematik Holz, Bäume und Wald des naturverbundenen Künstlers dezidiert auf.
Gemäß der Diplomprüfungsordnung stand den Studierenden das Diplomthema prinzipiell frei. Es fällt auf, dass besonders den Diplomanden ab den 1980er Jahren, so z.B. Köpps Jahrgangskommilitonen Alexander Matthes, durchaus sinnbildliche Themen für ihre Abschlussarbeiten zugestanden wurden. In Köpps Bild „Holzeinschlag“, das einen Forstarbeiter mit Kettensäge inmitten gefällter Bäume darstellt, meint man noch am ehesten eine gewisse Beeinflussung durch die staatsaffine Mentorin Damme zu spüren, auch wenn es sich keinesfalls um einen kraftstrotzenden Vertreter der Arbeiterklasse handelt. Ähnlich wie im Bild „Reiter am Meer“ wirkt auch diese Person etwas verloren, die Landschaft erscheint weniger eine reale Umgebung, sondern vielmehr eine Metapher etwa für Unerfülltes zu sein.
Die Sehnsucht nach einer unbeschwerten Zeit am Strand, wie sie für viele Ostseeurlauber zur Entstehungszeit des Bildes als besonders erstrebenswert galt, wird nicht gestillt. Der Seeaufenthalt wird als kein allgemein geschätztes Freizeitvergnügen wiedergegeben. Köpp setzt eine verschattete Farbpalette aus Blau-, Braun- und Ockertönen ein, die so gar nicht mit einer heiteren Strandszene in Einklang zu bringen ist. Die sehr präsent ins Bild platzierten Figuren starren aufs Meer, das als Projektionsfläche eines Freiheitsdranges, der hier sein Ende findet, gedeutet werden kann. Der Lauf des Pferds muss durch einen jähen Zügelgriff gestoppt werden. Volker Köpp evoziert eine sehr melancholische, nachdenkliche Stimmung, der man beim Betrachten seines Gemäldes gern nachgibt und die viele Spielräume zulässt. Diesem tiefgründigen Duktus eines genauen Beobachters, der sich vor allem in den Landschaftsbildern seiner Ostseeheimat manifestiert, ist er bis heute treu geblieben.
// Simone Fugger von dem Rech
[1] Die Themenstellung weicht im Wortlaut vom rückwärtigen Gemäldeaufkleber „Aus dem Leben von Waldarbeitern“ leicht ab. Vgl. Akte „Arbeitsunterlagen zu Diplomprüfungen, Diplomarbeitsthemen und Zwischendurchgängen“, 1972 – 1981 (Archiv der Hochschule für Bildende Künste Dresden, Sign. 03/0433).