Ethischer Umgang mit menschlichen Überresten / Ethical treatment of human remains
Seit geraumer Zeit sind menschliche Überreste in ethnologischen und naturwissenschaftlichen Sammlungen und Universitäten ins Zentrum einer heftigen Debatte um ihre Herkunft und die Art und Weise ihrer Aufbewahrung und Präsentation gerückt. Die Auseinandersetzung betrifft vor allen das Schicksal dieser menschlichen Überreste, die beispielsweise während der Kolonialzeit auf sehr unterschiedlichen Wegen und mit diversen Methoden erworben wurden. Die Herkunft dieser Objekte und die Kontexte, in denen sie erworben wurden oder entstanden sind, werfen berechtigte Fragen nach Ethik und Menschenwürde auf. In allen Fällen steht der derzeitige und zukünftige Umgang mit ihnen im Mittelpunkt, vor allen in Bezug auf Unrecht, Sichtbar- und Wiedergutmachung (siehe Empfehlungen des Deutschen Museumsbundes 2013 und Stoecker, Holger; Schnalke, Thomas; Winkelmann, Andreas (Hrsg.): Sammeln, Erforschen, Zurückgeben? Menschliche Gebeine aus der Kolonialzeit in akademischen und musealen Sammlungen. Berlin 2013).
Diese Debatte betrifft auch die Anatomiesammlung der HfBK Dresden. Hier ist zum Teil die Herkunft der Präparate ungeklärt. Durch einen Quellenfund im Hochschularchiv, der auf Verbindungen der Kunsthochschule zur Nationalsozialistischen Hinrichtungsstätte „Münchner Platz“ schließen lässt, nehmen die HfBK Dresden und die am Projekt Beteiligten ihre Pflicht wahr, die menschlichen Überreste in der Sammlung zu prüfen, naturwissenschaftlich zu untersuchen und soweit zu bestimmen, dass der ethische Umgang den 2003 veröffentlichten „Empfehlungen zum Umgang mit Präparaten aus menschlichem Gewebe in Sammlungen, Museen und öffentlichen Räumen“ (https://www.aerzteblatt.de/pdf/100/28/a1960.pdf) vollends entspricht. Denn nach Grundsatz 1 sind die „Herstellung, Konservierung, Sammlung und Aufbereitung von Präparaten aus menschlichen Gewebe zum Zweck der Präsentation und Demonstration für eine Fachöffentlichkeit und die allgemeine Öffentlichkeit grundsätzlich zulässig. Jedoch nach rechtstaatsächlichen Umständen ergeben sich Schwierigkeiten im Umgang mit Präparaten, die in Zeiten, als die Einholung einer wirksamen Spenderverfügung noch nicht allgemein verbindlich oder üblich war, hergestellt wurden, in der Verwendung von Präparaten ungeklärter Herkunft und in Sammlung, Bearbeitung und Präsentation von Präparaten, die nach früheren Grundsätzen bzw. nach Grundsätzen anderer Rechtsordnungen rechtmäßig, nach unserer gegenwärtigen Bewertung aber unrechtmäßig hergestellt wurden“.
Die Klärung der Herkunft, die Inventarisierung und umfassende Dokumentation wird in beiden Empfehlungen (Museumsbund und Stuttgarter Empfehlungen) als Voraussetzung eines ethisch angemessenen Umgangs mit menschlichen Überresten und verantwortungsvoller Entscheidungen über die sensiblen Fragen nach ihrer Präsentation in einem Sammlungskontext, ihrer Aufbewahrung oder aber ihrer Bestattung als Voraussetzung angesehen. Es gehört zu den Anliegen des Projektes „Körper und Malerei“, die Provenienz aller menschlichen Überreste in der Anatomischen Sammlung der Hochschule aufzuklären.
Bereits 2014 hat die HfBK Dresden eine Studie in Auftrag gegeben, die gezielt dem Quellenfund nachging und erste Ergebnisse respektive grundsätzliche Anhaltspunkte für die Herstellung von Skeletten zu Studienzwecken an Kunstakademien im 19. und 20 Jahrhundert lieferte (einsehbar im Archiv der HfBK Dresden). Im Zuge des Projektes werden eventuell prekäre Präparate (bis zu zwei Skelette), die in die fragliche Zeit passen könnten. Grundsätzlich werden die Anforderungen an die Aufbewahrung und die Präsentation der Skelette und einzelner Teile interdisziplinär erarbeitet. Für jene, deren Herkunft ungeklärt ist oder die stark beschädigt sind, wird eine Beisetzung ermöglicht. D.h. die HfBK Dresden betrachtet es als selbstverständlich, dass menschliche Überreste, für die sich feststellen lässt, dass sie unter Verletzung der menschlichen Würde und unter Unrechtsbedingungen in den Bestand der Anatomischen Sammlung gelangt sind, bestattet werden. Grundsätzlich gibt es bis zur Klärung der Herkunftsfrage keine öffentlichen Besichtigungstermine. Jedoch stehen die am Projekt Beteiligten in engem Austausch mit externen Fachleuten und werden vollkommene Transparenz der Ergebnisse am Projektende sichern.
Links:
„Stuttgarter Empfehlungen“ (pdf)
Empfehlungen Deutscher Museumsbund (pdf)
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For some time now the origins, care, and display of human remains in academic and museum contexts have been a subject of much debate. The controversy centers primarily around the fate of such specimens; this is particularly the case for human remains collected during the colonial era, as the means and methods of doing so may have been unacceptable. Therefore, the objects’ provenance and the contexts in which they were acquired raise legitimate ethical and human rights concerns. All the cases revolve around the best practice for dealing with such remains, currently and in the future, especially in regard to accountability, transparency, responsibility, and the rectification of any injustice (see the recommendations of the German Council of Museums 2013 and Stoecker, Holger; Schnalke, Thomas; Winkelmann, Andreas (Hrsg.): Sammeln, Erforschen, Zurückgeben? Menschliche Gebeine aus der Kolonialzeit in akademischen und musealen Sammlungen. Berlin 2013).
This debate is of great concern to the Academy of Fine Arts Dresden, as the origins of some of the human remains in its Anatomy Collection are unaccounted for. As a source found in the Academy’s archive is indicative of connections between the Academy and the execution site “Münchner Platz” during the period of National-Socialist rule, the project’s members are committed to their duty of responsibly examining the human remains in the collection and determining, to the best extent possible, that their treatment is in full accord with the „Empfehlungen zum Umgang mit Präparaten aus menschlichem Gewebe in Sammlungen, Museen und öffentlichen Räumen“ (https://www.aerzteblatt.de/pdf/100/28/a1960.pdf) published in 2003. For, as according to guideline number one, the manufacturing, preservation, collection, and preparation of human tissue for teaching or display purposes – for both a professional and lay public – is principally permissible. However difficulties arise when dealing with human remains of unknown provenance and in collecting, handling, and presenting specimens that date back to a time when donation forms were not compulsory nor standard practice but according to present standards were wrongfully obtained.
For an ethically appropriate handling of human remains and for responsibly deciding on questions of their presentation within a collection context, their storage, or their burial, the clarification of provenance, the registration, and exhaustive documentation are a requirement – as specified in both the guidelines of the German Museum Association and the Stuttgarter Empfehlungen. It is the intention of the project “Body and Painting” to investigate the provenance of all human remains held in the Academy’s Anatomy Collection.
Already in 2014 the Academy of Fine Arts Dresden commissioned a study to follow up on the above mentioned findings in the archive; the study has delivered some basic points of reference in regard to the preparation of skeletons for educational purposes at art academies in the 19th and 20th century (accessible through the Archive of the Academy of Fine Arts Dresden). Within the course of the project, questionable specimens (up to two skeletons) that may date back to the time in question will be buried. As a matter of principle all requirements for storing and presenting the skeletons and individual pieces are to be examined interdisciplinarily. Should the origins of any specimens remain unaccounted for or should they be badly damaged, a burial will be arranged. This means that the Academy views as self-evident that any human remains violating the principals of human dignity and of unethical origins will be buried. Until the question of provenance has been investigated, public viewing of collection is categorically prohibited. Nevertheless the project members are in communication with external experts and guarantee to openly share the investigation results at the end of the project.