Skelett Pferd
Inv.-Nr.: AP271
Maße (H x B x T): ca. 196 x 58 x 194 cm
Datierung: um 1910
Präparator: unbekannt
Die Lehre von Form, Funktion und Proportion des Tieres gehörte spätestens seit dem 19. Jahrhundert fest zum Bestandteil der Künstlerausbildung an den europäischen Akademien. Unverzichtbar hierfür waren Skelettmontagen verschiedenster Tierarten, welchen die Studierenden für das zeichnerische Naturstudium nutzen konnten. Eine Blütezeit der Lehre zur Gestalt des Tieres erlebte die Dresdner Kunstakademie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Aus dieser Zeit stammen die meisten heute noch erhaltenen Tierskelette der Sammlung. Ihr Erwerb geht vermutlich auf Hermann Dietrich, von 1904 bis 1933 Professor für Anatomie, zurück.
Auch das heute noch zum Bestand der Anatomischen Sammlung zählende Pferdeskelett ist dieser Zeit zuzuordnen. Trotz seines Alters von ca. 100 Jahren ist der Erhaltungszustand ungewöhnlich gut. Häufig sind bei Skelettmontagen Verluste kleinerer Knochen und Zähne zu verzeichnen. Das Pferdeskelett ist, mit Ausnahme der letzten Schwanzwirbel und zweier Zähne, vollständig erhalten geblieben und alle Einzelteile sind nahezu intakt. Die Montagevorrichtungen aus Draht, welche die einzelnen Knochen zusammenhalten, weisen leichte Korrosionsschäden auf, haben ihre Stabilität hierdurch jedoch nicht eingebüßt. Auch die eiserne Stützkonstruktion ist in einem guten Zustand und trägt die sich über die Wirbelsäule verteilende Last des gesamten Skelettes. Lediglich die gummierten Metallrollen des hölzernen Sockels haben sich stark abgenutzt und sind somit heute kaum noch funktionsfähig. Die Knochen zeigen an einigen Stellen Haarrisse. Diese sind hauptsächlich an besonders dünnen Partien, wie den Schulterblättern zu beobachten und auf die lange unklimatisierten Räumlichkeiten und die damit verbunden Schwankungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit zurückzuführen. In vielen anatomischen Sammlungen gehören neben Klimaschwankungen u.a. aus dem Knochenmark austretende Fettsäuren zu den Verursachern starker Schäden an Skeletten, Einzelknochen und Schädeln. Achtet man bei der Präparation des Skeletts darauf, alle im Knochen vorhandenen Fette rückstandslos zu entfernen, beugt man diesem Schadensbild bereits bei der Herstellung effektiv vor. Im Fall des Dresdner Pferdeskeletts scheint dies berücksichtigt worden zu sein. Die für diese Abbauprodukte charakteristischen Verdunkelungen der Knochen, überwiegend im Bereich der Gelenke, treten hier nur vereinzelt und in sehr schwacher Ausprägung auf.
Einige Laufnasen an der Wirbelsäule und dem Becken lassen sich nicht auf dieses Phänomen zurückführen. Auch die ursprüngliche Vermutung, es handle sich hierbei um einen Schutzüberzug aus Schellack, bestätigte sich nicht. In diesem Fall wäre unter Einfluss von UV-Strahlung eine orangefarbene Fluoreszenz nachweisbar. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich hier um Rückstände eines modernen Klebemittels. Diese sind als konservatorisch bedenklich einzustufen, da nicht selten Abbauprodukte instabiler Polymere in das Knochengewebe eindringen und dort zu weiteren Schäden führen können. Dies trifft auch auf zwei Klebeetiketten mit alten Inventarnummern, an der Stützkonstruktion und dem Holzsockel angebracht, zu. Die vereinzelten Bleistiftstriche und Anzeichnungen auf verschiedenen Knochen hingegen wirken sich lediglich negativ auf das Erscheinungsbild aus und führen zu Fehlinterpretationen der Knochenstruktur. Ebenfalls optisch störend sind die auf der Objektoberfläche befindlichen Staubauflagerungen. Hauptsächlich waagerechte Knochenpartien, Knochennähte und Hohlräume sind hiervon besonders intensiv betroffen. Da in diesen Verschmutzungen überdies Schadstoffe enthalten sein können, ist deren Abnahme als konservatorische Maßnahme dringend anzuraten.
Jakob Fuchs